RadioStücke am 03.08.2023 ab 19.00 Uhr bei Radio Slubfurt
AMEISEN
AMNESIE
Ein Klangcomic frei nach Anestis Logothetis (2021)
Vom Logischen Denken zu Logothetischem Denken
In den Jahren 1971 bis 1975 fertigte der Komponist Anestis Logothetis eine Reihe von Partitur-
Fragmenten an, deren zentrale Motive Insekten sind. 2021 werden diese Skizzen zum
Ausgangspunkt für ein Hörstück und eine Audio-Visuelle-Live-Performance. Erstmals
interpretiert von dem Komponist*innen Duo Rdeča Raketa (Osojnik/Schellander), der Autorin
Natascha Gangl und dem Medienkünstler Nikolaos Zachariadis werden Logothetis Klang-
Sprachexperimente als Radio-Stück und Live-Performance der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht.
Anestis Logothetis war als Komponist dem Medium Radio ebenso zugetan, wie der
elektronischer Musik, er produzierte mehrere Hörspiele und war Avantgardist der
elektronischen Musik in Österreich. Seine Insketen-Skizzen hat Logothetis mit Bleistift,
Kugelschreiber oder Tusche auf Millimeterpapier gezeichnet. Sie dienten als Material und
Ideensammlung, wurden teils zu graphischen Partituren weiterentwickelt und flossen ein in seine
Hörstücke. Es sind Namen von Ameisen, Schmetterlingen, Nachtfaltern, Motten, es sind Zitate
aus Biologie, Kybernetik und griechischer Mythologie die Logothetis assoziative Sprachspiele
auf diesen Blättern triggern und die angeordnet, von organischen Ornamenten bis zu wilden
Explosionen, die Betrachtenden in Kollisionen von Staats- und Gesellschaftsformen führen.
5 Etüden entwickeln die Künstler*innen aus diesen Skizzenblättern, legen nach und nach
Logothetis ästhetische Prinzipien offen und führen sie auf diese Weise zugleich fort, der
Interpretationsversuch wird dabei zum dramatischen Geschehen:
Wer hat da eine Sprache? Wer hat da eine Sprache die gehört wird? Wer hat da eine Sprache, die
verstanden sein will? Wer setzt dann seine Sprache auf die Sprache der anderen? Wer setzt dann
seine Sprache in die Sprache der anderen? Wer wird dann gehört? Welcher Staat überwintert?
Wer überlebt? Siedet die Erde, oder nicht?
Die Skizzenblätter werden bei der Live-Performance zum atmosphärisch-visuellen Element, ins
Heute gebracht und für das Publikum in Raum und Zeit gesetzt finden die Blätter zu einer
eigenständigen abstrakten Form, sie performen selbst.
„… Der Mangel an wirklich modernen Produktionen ist es letztlich, der uns der Sicht unseres
Weges beraubt und uns geistig im Nebel zurücklässt“, so wurde Logothetis schon im Lauf des
Hörspiels zitiert. Ein Motto, das sich jede Avantgarde zu jeder Zeit auf ihre Fahnen schreiben
könnte. Dass aber 50 Jahre alte musikalische Skizzenblätter heute noch so modern und
gegenwärtig klingen können, ist das Verdienst von Natascha Gangl und Rdeča Raketa.
Klarsichtige Modernität gegen konservatives Kunstraunen ist eben keine Frage des Alters.“
Jochen Meißner / MK
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CREDITS / RADIOSTÜCK
Text: Natascha Gangl, mit Zitaten von Anesthis Logothetis.
Komposition: Rdeča Raketa (Maja Osojnik & Matija Schellander)
Regie: Natascha Gangl, Maja Osojnik, Matija Schellander
Mit: Natascha Gangl (Stimme), RDEČA RAKETA aka Maja Osojnik (Stimme, Live-Sampling, DJ-CD
Player und Elektroniks) & Matija Schellander (Stimme, Modular Synthesizer und Computer),
Anna Clare Hauf (Gesang) und weiteren Stimmen von: Stella Adriana Bergmann, Martin Egger,
Michela Flück, Roland Frühwirth, Gerti Gangl, Walter Gangl, Alba Gentili Tedeschi, Ria Higler,
Nino Idoidze, Feras Kaddoura, Birgit Kellner, Lukas König, Franz-Xaver Mayr, Manu Mayr, Jelena
Popržan, Karolina Preuschl, Christian Schlechter, Korbinian Schmidt, Lara Sienczak, Leonie
Spitzer, Thiemo Strutzenberger, Peter Waterhouse.
Schnitt: Maja Osojnik, Matija Schellander
Ton: Maja Osojnik, Matija Schellander
Mastering: Martin Leitner
Autor/innenproduktion im Auftrag von ORF Kunstradio 2021 & Wien Modern, mit freundlicher
Unterstützung von SKE Fonds, BMKOES, Festival TOOLS und Stiftung kultureller Förderung
und Bewahrung des Lebenswerkes von Dietrich und Christel Kittner.
Übersetzungen: Griechisch, Englisch (in Arbeit).
http://www.kunstradio.at/2021B/28_11_21.html.
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Ankündigung Kurzvariante:
Von der Skizze zur Wort-Klang-Bild-Komposition –
Vom Logischen Denken zu Logothetischem Denken
Anestis Logothetis war Avantgardíst: Er fand die graphische Notation für sich in den fünfziger
Jahren, komponierte elektroakustische Musik Anfang der sechziger Jahre, entwickelte das
„Musikalische Hörspiel“ Anfang der siebziger Jahre. In den Jahren 1971 bis 1975 fertigte er eine
Reihe von Partitur-Fragmenten an, deren zentrale Motive Insekten sind. 2021 werden diese
Skizzen erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, und zum Ausgangspunkt für eine Live-
Performance und ein Radio-Stück. Es sind Namen von Ameisen, Schmetterlingen, Nachtfaltern,
Motten, es sind Zitate aus Biologie, Kybernetik und griechischer Mythologie die Logothetis
assoziative Sprachspiele auf diesen Blättern triggern und die angeordnet, von organischen
Ornamenten bis zu wilden Explosionen, die Betrachtenden in seine mehrdeutigen akustischen
Phantasien führen. 5 Etüden entwickeln die Künstler*innen aus diesen Skizzenblättern, legen
dabei nach und nach Logothetis ästhetische Prinzipien offen und führen sie auf diese Weise
zugleich fort und lassen einen Klangcomic um die brennende Frage „siedet die Erde oder
nicht?“ entstehen.
Live werden die Skizzenblätter dabei zum atmosphärisch-visuellen Element der Performance,
finden zu einer eigenständigen abstrakten Form, performen selbst.
Credits: Klangcomics entstehen als “work in progress“. Die Uraufführung von “Einsame Ameisen
Amnesie frei nach Anestis Logothetis” fand im Rahmen des Festivals Wien Modern 2021 in
Kooperation mit ORF Ö1 Kunstradio statt. Mit Unterstützung der SKE, des BMKOES und der
Stiftung kultureller Förderung und Bewahrung des Lebenswerks von Dietrich und Christel Kittner.
LIVE_LINE-UP:
Natascha Gangl ‐ Text – Stimme, Sampler.
Maja Osojnik ‐ Komposition – Stimme, Live-Sampling, DJ-CD Players & other electronic devices.
Matija Schellander ‐ Komposition – Stimme, Modular Synthesizer, Computer.
Nikolaos Zachariadis – Viusals – Projektion.
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WAS IST EIN KLANGCOMIC?
Das Elektroakustik Duo Rdeča Raketa (aka die Komponist*innen Maja Osojnik und Matija
Schellander) und die Autorin Natascha Gangl entwickeln seit 2016 Klangcomics, das sind
Serien von Live-Performances, sowie Hörstücke fürs Radio. Wie im Comic Wort und Bild
ineinander aufgehen, sind es hier das gesprochene Wort und der Klang, Laut wird
Sprache, Sprache wird Laut, Zeitgenössische Komposition trifft auf das Literarische
Experiment. Eklektisch werden Stilrichtungen kombiniert, Madrigal trifft auf Kinderbuch
trifft auf Techno trifft auf Anagramm trifft auf Hip-Hop trifft auf Essay – ad Infinitum –
Hochkultur, Popkultur, Subkultur fusioniert. Anti-Heldinnen waren die Protagonistinnen
der ersten beiden Stücke, ihre surrealen bis psychedelischen Reisen führen in dichte
Serien von Klangbildern.
„WENDY PFERD TOD MEXIKO“, 2018. UA Kunstradio-Radiokunst Ö1, 1.Preis des Berliner
Hörspielfestivals, mehr als 25 LIVE-Performances, u.a. in Übersetzung ins Spanische und
Polnische.
„DIE REVANCHE DER SCHLANGENFRAU. Ein Klangcomic frei nach Unica Zürn“, 2020. UA
Kunstradio-Radiokunst Ö1, Zahlreiche Live-Auftritte, Übersetzung ins Slowenische, Ö1
Preis für das Beste Originalhörspiel.
2022 erschien „EINSAME AMEISEN AMNESIE. Ein Klangcomic frei nach Anestis
Logothetis“ als Uraufführung bei Wien Modern als Koproduktion mit dem ORF und reiste
von dort weiter an die Greek National Opera Athens.
Zu jedem Klangcomic wurde bisher auch eine Bildende Künstler*in eingeladen: Toño
Camuñas schuf Bilder zu „WENDY PFERD TOD MEXIKO“, Billy Roisz Videos zu „DIE
REVANCHE DER SCHLANGENFRAU“, Nikos Zachariadis entwickelte Projektionen zu
„EINSAME AMEISEN AMNESIE“.
Maja Osojnik hat 2018 ein Label gegründet „MAMKA Records“ und veröffentlicht Vinyl-
Singles aus den Klangcomics in Kleinst-Auflagen. Jede Platte ein Unikat.
“SUPERANDOME. SUPER RANDOM ME”, 7′′, Natascha Gangl & RDEČA RAKETA, MAMKA
RECORDS, 2020.
“MI CORAZON/Where do the flies go at night?”, 7′′, Natascha Gangl & RDEČA RAKETA,
MAMKA RECORDS, 2019.
“CHICKEN/DIE TOTEN”, 7′′, Natascha Gangl & RDEČA RAKETA, MAMKA RECORDS, 2018.
Seit 2019 beschäftigt sich das Trio mit den Möglichkeiten der Visualisierung der
Klangkunstwerke und arbeiten an Graphischen Partituren & Konkreter Poesie, entwickeln
Ausstellungen dazu. (Bisher u.s. Buchbinderei Fuchs @Jazzfestival Saalfelden, Echoraum,
Kluckyland, Institut für Moderne Kunst Nürnberg).
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VITAS
Natascha Gangl, *1986, studierte Philosophie an der Universität Wien und Szenisches
Schreiben am DRAMA FORUM Graz. Seit 2007 arbeitet sie als freischaffende Autorin und setzte
für mehr als zehn Jahre ihren Arbeits- und Lebensmittelpunkt „zwischen“ Österreich, Spanien
und Mexiko. Sie assistierte und bearbeitete zahlreiche Texte für Christoph Schlingensief, war
Hausautorin am Staatstheater Mainz. Sie schreibt vor allem Theatertexte, experimentelle Prosa
und Essays, erforscht dabei Sprache in allen Aggregatzuständen: geschrieben, gezeichnet,
gesprochen, performt – auf Theaterbühnen, in Konzert- und Ausstellungsräumen, in
Radioformaten, im Buch, auf Platte. Sie beschäftigt sich mit der klangliche Qualität von Sprache,
verstehbarem und erfahrbarem Sinn, Trash und Tragödie, verwendet dabei Techniken wie
Montage, Überschreibung und Anagramm. Ihre teils mehrsprachigen Werke wurden mit
zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet (u.a. Heimrad-Bäcker-Förderpreis, Preis des
Heidelberger Stückemarktes, Literaturförderungspreis der Stadt Graz.) Als Buch erschien:
Wendy fährt nach Mexiko, Ritter, 2015. Das Spiel von der Einverleibung. Frei nach Unica Zürn,
starfruit publications, 2020.
Maja Osojnik *1976, ist freischaffende Komponistin, Klangkünstlerin, Sängerin und frei
improvisierende Musikerin die sich in ihrem facettenreichen Schaffen verschiedenster
klanglicher Mittel wie beispielsweise Stimme, Paetzold-Bass, Field Recordings, CD Player,
Radios, Effektpedale, Kassettenspieler und anderen elektronischen Lo-Fi- Musikinstrumenten
jedweder Herkunft. Sich im Limbus zwischen analoger und digitaler Kunst, virtuellen und realen
Räumen bewegend, versucht sie die klanglichen Spektren besagter Instrumente zu erweitern, zu
dekonstruieren und neu zu konnotieren bzw. diesen andere, neue Rollen zuzuweisen – ein
Prozess der an das Annagrammieren erinnert. In Ihren Kompositionen verbindet Maja Osojnik
ihre Liebe für einfache Songs, experimentelle, elektro-akustische, abstrakte Musik, Alte und
Neue Musik sowie Elemente und Formen von Noise und Rock. Das Reale, das Surreale, die
Fragilität, in der sich sowohl das zerstörerische, abgründige, finstere Phantasma, aber auch die
Schönheit, die Eleganz, die Stärke und Bestimmtheit abbilden, manifestieren einen weiteren
Motor, der Maja’s musikalisches Schaffen definiert. Sie komponiert Musik für Tanz, Theater, Film
und diverse Ensembles und Orchester und schreibt Gedichte, die sie mit ihren Bands vertont. Im
2018 startete Maja ein neues Label MAMKA RECORDS, welches sich der Veröffentlichung
hochwertiger und in Eigenproduktion gestalteter Tonträger in Kleinstserien verschrieben hat.
Seither widmet sich Maja fokusierter auch zwei Ihrer großen Leidenschaften, dem Druck und der
Produktion grafischer Klang-Partituren. Ihre Solo-Perfromances, Werke und Formationen, u.a.
Rdeča Raketa, ZSAMM, Broken.Heart.Collector, Maja Osojnik Band, Subshrubs, Low Frequency
Orchestra etc. wurden auf verschiedenen internationalen Festivals präsentiert.
Matija Schellander, *1981 in Ludmannsdorf-Bilčovs, Österreich, studierte Kontrabass am
Konservatorium der Stadt Wien und absolvierte den Lehrgang für Computermusik an der
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Seine musikalischen Einflüsse sind
vielgestaltig und erstrecken sich von Musique Concrete über Hip-Hop, Techno, Improv, Jazz,
Neue Musik, Alte Musik hin zu traditioneller und Filmmusik. Er arbeitet mit Instrumenten ebenso
wie «field recordings», im Studio und auf der Bühne. Klangfarbe, Sampling, und ein
bewegliches, organisches Klangbild für Sound als eigenständiges künstlerisches und narratives
Element zentral.Er lebt und arbeitet als Komponist, Kontrabassist und elektronischer Musiker in
Wien und komponiert für Musikensembles, Theater, zeitgenössischen Tanz und Film. Er ist,
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Bild: by Markus Webber